Skandal-Zuschuss für Velocity: Widerstand unter Aachener Studenten wächst

Vor knapp zwölf Monaten griff die Firma „Velocity“ 305.000 Euro aus öffentlichen Mitteln ab. Die Mittel sollten als Anschubfinanzierung zum Aufbau eines Pedelec-Verleihs dienen. Das Pikante: Die Gründer von Velocity legten lediglich 2.000 Euro Stammkapital in den Hut. Diese Handvoll Münzen und das Versprechen mehr Elektro-Fahrräder auf die Straßen zu bringen, genügten um an die städtischen Schatullen zu gelangen. In der Ratssitzung vom 2.Juli 2014 wurde der üppige „Gründungszuschuss“ fraktionsübergreifend abgenickt. Lediglich die Ratsherren Mohr und Palm sprachen vor dem Rat gegen das Investorengeschenk. Nun wächst unter Aachener Studenten der Widerstand gegen das Projekt. Velocity möchte zur Steigerung der laufenden Einnahmen an die Taschen der Studenten.

Vollmundige Versprechungen

Der öffentliche Betriebsstart mit 20 Stationen und mehr als 200 Elektrofahrrädern sollte eigentlich bereits im April 2015 erfolgen. Bis 2016 sollte der Verleih auf 40 Stationen mit mehr als 400 Elektrofahrrädern anwachsen.

CDU-Fraktionschef Harald Baal sprach 2014 von einem großen Mehrwert, der die Anschubfinanzierung rechtfertige. SPD-Fraktionschef Michael Servos pries Velocity als Baustein, um die drohende Umweltzone in Aachen zu verhindern. Der tief in den Aachener Politikbetrieb verwobene AN-Redakteur, Gerald Eimer, schrieb Velocity zu einem der ehrgeizigsten Verkehrsprojekte der letzten Jahre hoch.

Viel heiße Luft

Doch was wurde von Velocity nach fast 12 Monaten tatsächlich erreicht? Das Ergebnis fällt bescheiden aus. Der letzte Eintrag auf der Velocity-Netzseite stammt vom 27.02.2015. Statt 20 funktionierender Verleihstationen, findet sich auf der Karte eine einsame Teststation. Der von der SPD erträumte Beitrag zur Vermeidung einer Umweltzone wurde nicht geliefert. Die Umweltzone kommt trotz des städtischen Geldgeschenks. Während in Aachen bei Subventionsjägern die Korken knallen können, schauen Schülerlotsen in die Röhre. Wegen klammer Finanzen wird deren bescheidene Aufwandsentschädigung von 125 € auf 50 € monatlich gekürzt.

Auch das häufig mit Velocity verbundene „Made in Aachen“ erhält Risse. Dennis Brinckmann, Geschäftsführer von Velocity, rechtfertigte die enttäuschenden Ergebnisse des Unternehmens mit Lieferproblemen. Dabei ließ er vergangene Woche im städtischen Mobilitätsausschuss die Katze aus dem Sack: Es gäbe Probleme mit einem asiatischen Lieferanten für die Rahmen der Elektrofahrräder. Den Antrieb der Räder liefert ein europäischer Hersteller. Immerhin die Batterie wird in Deutschland produziert.

Velocity bringt Ye-One Rhie (SPD) unter Druck

Auch der politische Rückhalt für Velocity schwindet. Die mobilitätspolitische Sprecherin der SPD, Ye-One Rhie, gerät unter Rechtfertigungsdruck. In einer Sitzung des Mobilitätsausschusses beklagte sie, dass hinsichtlich Velocity mittlerweile kritische Stimmen aus der eigenen Fraktion zu vernehmen seien. Sie habe das Projekt nach außen hin zu vertreten und zu verantworten. Sie wünsche daher von Velocity künftig mehr Transparenz und eine bessere Kommunikation.

Velocity wird von Studenten abgelehnt

Derweilen wächst der Widerstand gegen Velocity unter den Aachener Studenten. Nach der städtischen „Anschubfinanzierung“, schielt das Unternehmen auf die Geldbörsen der Studenten. Im Gespräch ist eine Velocity-Abgabe, die ähnlich wie das Semesterticket von allen Studenten zu finanzieren wäre. Eine solche Zwangsabgabe würde jährlich rund 700.000 Euro in die Kassen von Velocity spülen. Bei 1.000 angedachten Fahrrädern und rund 37.000 Studenten ist jedoch klar, dass viele zahlen und nur wenige profitieren.

Im Hochschulparlament möchte die Hochschulgruppe „STUDIUM“ daher die drohende Zwangsabgabe abwenden. Der Spitzenkandidat zur aktuellen Hochschulwahl, Andreas Herdering, lehnt einen Griff in die studentischen Geldbörsen ab. Für STUDIUM stellt er klar: „Wir werden die finanziellen Belastungen für Studenten so gering wie möglich halten. Der Mehrwert von Velocity steht in keinem Verhältnis zu den Kosten. Die meisten Studenten haben ein eigenes Fahrrad, das ganz umweltbewusst keinen Strom benötigt und vielen Studenten zu einer täglichen Sporteinheit verhilft. Die für Velocity immer wieder ins Gespräch gebrachte Zwangsabgabe lehnen wir ab. Die einzigen Nutznießer von dieser Zwangsabgabe sind der Gesellschafterkreis des Unternehmens um einen WZL-Professor. Das ist mit uns nicht zu machen.“

Ohne Zwangsfinanzierung aus studentischen Taschen wird ein Scheitern von Velocity wegen fehlender wirtschaftlicher Perspektive wahrscheinlich. Damit wäre unter Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) die nächste stattliche Summe verbrannt. Marcel Philipp steht für Misswirtschaft und Chaos in der Verwaltung. Erst im Mai entging der Stadt Aachen ein satter Millionenbetrag, weil es die von ihm geführte Verwaltung versäumte, fristgerecht Anträge zur Städtebauförderung einzureichen.