Wie die Industrie 4.0 den Arbeitsmarkt auf den Kopf stellt

Im ersten Artikel der dreiteiligen Reihe zur Industrie 4.0 wurde aufgezeigt, was hier und heute schon technisch möglich ist. Nun soll es um die Frage gehen, welche Auswirkungen das auf unser Arbeitsleben haben wird und welche Grundüberlegungen die Politik deshalb anstellen muss.

Auf den ersten Blick erscheint der zunehmende technische Fortschritt faszinierend und begeisternd. Die Idee, daß menschliche Arbeit künftig effektiver, sicherer und bequemer werden wird, gefällt. So war es schließlich auch in den letzten hundert Jahren seit der ersten industriellen Revolution, die wir alle aus den Schulbüchern kennen.
Warum diesmal alles anders wird

Doch diesmal könnte alles anders sein, meinen immer mehr Experten. Maschinen und Algorithmen verabschieden sich von dem Grundsatz, gedankenlose Werkzeuge zu sein und entwickeln langsam aber sicher eine – wie auch immer geartete – „künstliche Intelligenz“. Maschinen müssen etwa nicht mehr programmiert werden, sondern sie lernen selbstständig hinzu und verbessern sich mit der Zeit. Menschliche Arbeit wird nicht mehr erleichtert, sondern schlichtweg überflüssig gemacht. Diese Entwicklung nennen Zukunftsforscher „technologische Singularität“. In den USA gibt es bereits eine Singularity University. Daß einer ihrer Hauptsponsoren Google heißt, zeigt wie ernst das Thema auf der anderen Seite des Atlantiks bereits von allen wesentlichen Akteuren genommen wird, wohingegen in Deutschland kaum jemand darüber diskutiert.

Deutschland hat das Thema verschlafen – jedenfalls bis jetzt

Bezeichnend, daß die bislang einzige Studie zu den Auswirkungen der neuen Algorithmen und Roboter auf die Arbeitswelt speziell hier in Deutschland nicht etwa vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales oder dem Statistischen Bundesamt stammt, sondern von der Privatbank Ing-Diba. Die Ergebnisse haben es dennoch in sich: Von 30,9 Millionen in der Studie berücksichtigten Arbeitsplätzen werden in den nächsten Jahren 18 Millionen wegfallen, so die erschütternde Prognose der Analysten. Besonders stark betroffen sind natürlich „einfache“ Tätigkeiten wie die des Lagermitarbeiters oder Kassierers, aber die Beispiele aus dem ersten Artikel dieser Reihe zur Industrie 4.0 zeigen, daß auch Akademiker um ihren Arbeitsplatz fürchten müssen. Besonders brisant: Amerikanische Studien kommen zum selben Ergebnis und alle gehen davon aus, daß diese Entwicklung schon in den nächsten Jahren rasant an Fahrt aufnehmen wird.

Vollbeschäftigung wird unrealistisch

Es ist offensichtlich: Die tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt in den nächsten 20 Jahren sind ein so genannter Megatrend. Wenn wir nicht bald anfangen, politische Antworten zu entwickeln, werden wir vom technischen Fortschritt kalt erwischt. Zunächst wird es Zeit, sich vom Dogma des Ziels der Vollbeschäftigung zu verabschieden: Es wird im 21. Jahrhundert auf Grund der Robotisierung für eine Millionenbevölkerung nicht mehr zu erreichen sein. Die neuen Technologien schaffen schon heute kaum noch Arbeitsplätze: Benötigte etwa 1979 der amerikanische Autohersteller General Motors noch 840.000 Mitarbeiter, um (inflationsbereinigt, das heißt auf heutige Verhältnisse hochgerechnet) 11 Milliarden US-Dollar-Gewinn zu machen, sind es bei Google aktuell für 14 Milliarden US-Dollar-Gewinn gerade einmal 38.000. Ein weiteres Beispiel: Zwar hat Facebook gigantische Serverfarmen in den USA errichten müssen, diese werden jedoch nicht von Heerscharen von Mitarbeitern gewartet, sondern auf 20.000 Computer kommt nur noch ein einziger Techniker – ein Algorithmus löst Serverprobleme mittlerweile praktisch selbstständig.

Gehen also in den nächsten Jahren immer mehr Arbeitsplätze verloren, drohen uns perspektivisch Jugendarbeitslosigkeitsquoten von über 50 Prozent wie in Spanien, Frankreich oder Griechenland. Gleichzeitig wird auch die Kaufkraft und Nachfrage sinken und der Teufelskreis der Deflation beginnt. Um ein Unternehmen zu führen und potentiell gigantische Gewinne zu machen, wird es immer weniger Mitarbeiter brauchen – doch wer kauft dann die Produkte und mit welchem Geld?

Der Fachkräftemangel ist ein Märchen

Absolut notwendig ist jedenfalls, die Mär vom Fachkräftemangel ad acta zu legen. Es wird in Zukunft eher einen Arbeitsplatzmangel als einen Mangel an potentiellen Mitarbeitern geben. Umso wichtiger ist, daß eine weitere Migration (vor allem unter dem Asyl-Ticket) gestoppt wird. Der einzige „Fachkräftemangel“, der in Deutschland für die Großindustrie besteht, ist in Wahrheit der an Akademikern, die bereit sind für das Gehalt eines Hilfsarbeiters zu arbeiten.

Die Wirtschaft nicht den Kapital-Heuschrecken überlassen!

Wenn künftig Arbeit immer seltener und der Konkurrenzdruck durch billige Technologie-Lösungen größer wird, muss auch darüber nachgedacht werden, weniger Arbeit, sondern mehr Unternehmensgewinne und Kapital zu besteuern. Auch könnte die Beteiligung des Landes Niedersachsens am Automobilkonzern VW, die gemeinhin als Erfolgsgeschichte gehandelt wird, zum Vorbild werden. Wenn deutsche Unternehmen zu „Global Playern“ werden und aus Familienbetrieben gesichtslose Aktiengesellschaften werden, warum soll dann nicht die Gemeinschaft in Form des Staates als Teil-Eigentümer mitprofitieren und mitreden können?

Und letztlich wird angesichts von Millionen von Bürgern, die ihren Lebensunterhalt auf Grund fehlenden oder niedrigen Arbeits- und Renteneinkommens nicht mehr bestreiten können, ein radikaler, aber letztlich vernünftiger Schritt zu machen sein: Der in Richtung eines Bürgergeldes; eines zwar nicht bedingungslosen, aber bedingungsarmen Grundeinkommens.

Mehr zu den Lösungsansätzen und insbesondere meiner Haltung zum bedingungslosen Grundeinkommen erfahren Sie im dritten Teil unserer dreiteiligen Serie zur Industrie 4.0, der in wenigen Tagen erscheint.

Hier finden Sie den ersten Teil der Artikelserie

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