Zum 200. Geburtstag Otto von Bismarcks – Baumeister des deutschen Staats

Am Anfang des deutschen Nationalstaats steht Bismarck. Er gilt als eine Schlüsselfigur der deutschen Geschichte. Die Gründung des Deutschen Reiches 1871 ist eine bedeutende Zäsur. Die seit Jahrhunderten zersplitterte Mitte Europas wird zu einem modernen Staat zusammengefügt. Dadurch fand sich ein Großteil des deutschen Volkes im ersten deutschen Nationalstaat wieder. Deutschland gilt damit als „verspätete Nation“ (Helmut Plessner), da die anderen großen europäischen Nationen bereits einen Nationalstaat hatten. Bismarck entfaltete innen- und außenpolitisch großen Einfluss. Auch in Aachen hielt er sich eine kurze Zeit auf.

Das Leben des Eisernen Kanzlers

Otto von Bismarck wird am 1. April 1815 als vierter Sohn eines Großgrundbesitzers in Schönhausen an der Elbe im heutigen Sachsen-Anhalt geboren. Nach dem Abitur in Berlin schreibt er sich an der Universität Göttingen für das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften ein. Er tritt in das landsmannschaftliche Studentenkorps „Hannovera“ ein und erinnert sich später an seine Zeit als Student; „innerhalb von drei Semestern 28 Mensuren gehabt und immer gut davongekommen zu sein.“ Nach erfolglosen Versuchen zur Ausbildung zum Beamten in der Verwaltung entscheidet er sich gegen eine Beamtenlaufbahn. 1845 wird er Abgeordneter des Provinziallandtags von Pommern. Später wird er Abgeordneter des preußischen Landtags und Diplomat in St. Petersburg und Paris. Von 1871 bis 1890 ist er Reichskanzler des Deutschen Reiches. Er behält zusätzlich die Ämter des preußischen Ministerpräsidenten und des Außenministers.[1]

„Eiserner Kanzler“ wird Bismarck genannt, weil er so lange im Amt und so mächtig war. Bismarck etablierte außenpolitisch eine komplizierte und ausgeklügelte Bündnispolitik, um ein Gleichgewicht der Kräfte in Europa zu wahren. Eine Expansion Deutschlands lehnte er ab. Er war ein entschiedener Gegner des Kolonialismus. Zu einer Zeit, als viele europäische Nationen andere Völker unterwarfen und kolonialisierten, lehnte er entsprechende deutsche Pläne ab.

Innenpolitisch war Bismarck sehr mächtig. Er sah früh die Notwendigkeit, den durch die Industrialisierung erfolgten gesellschaftlichen Veränderungen des modernen Staates Rechnung zu tragen. 1883 führte Deutschland die allgemeine Krankenversicherung ein, daraufhin die Unfallversicherung. Ab 1889 gibt es die Rentenversicherung.

Nach dem Tode Kaiser Wilhelms I. und kurze Zeit später auch nach dem Tode Kaiser Friedrichs im Jahre 1888 kam es in dem Verhältnis zwischen dem Reichskanzler und dem Kaiser Wilhelm II. zu Spannungen. Die Meinungsunterschiede über die politische Führungsarbeit führten im März 1890 zur Entlassung Bismarcks.

Am 30. Juli 1898 stirbt der „Eiserne Kanzler“ im Alter von 83 Jahren in Friedrichsruh bei Hamburg. Auf dem Grabstein steht: „Ein treuer deutscher Diener des Kaisers Wilhelm I.“

Bismarck in Aachen

Bismarck war von 1836 bis 1837 Regierungsreferendar in Aachen. Aber er war schnell vom Büroalltag gelangweilt. Er verliebte sich im August 1836 in Laura Russel, eine Nichte des Herzogs von Cumberland. Später reiste er einer jüngeren Engländerin hinterher und er überschritt seinen genehmigten vierzehntägigen Urlaub um mehrere Wochen. Daraufhin verlor er sein Referendariat in Aachen. Bismarck ging in seiner Aachener Zeit regelmäßig ins Spielcasino und machte dort Schulden.
Er hatte keine große Meinung zur Verwaltung in Aachen und schrieb in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ 1898:

„Ich verließ Aachen mit einer, abgesehen von dem lokalen Präsidenten Grafen Arnim-Boitzenburg, geringen Meinung von unsrer Bürokratie im Einzelnen und in der Gesammtheit.“[2]

Bismarck mochte offenkundig die Bürokratie in Aachen nicht. Aber umso mehr genoss er die Zeit in Aachen und die Frauen. Der achtzigjährige Bismarck sagte zu Rheinländern in Friedrichsruh:

„Ich habe im Jahre 1836 eine Zeitlange in Aachen gewohnt und wurde in meinen dienstlichen Leistungen gestört durch die Annehmlichkeit des Aufenthalts. Ich habe am Rhein verkehrt und habe stets gern mit ihrer – ich sage es ohne Vorwurf, aus Anerkennung- leichtlebigen Natur verkehrt, und ganz besonders wohltuend für unsre ostdeutschen Gewohnheiten ist der Umgang mit den rheinischen Frauen. Sie sind lustiger wie die Frauen bei uns, und Gott erhalte es so.“ [3]

Heute ist Bismarck in Aachen allgegenwärtig. Es gibt eine Bismarckstraße, eine Bismarck-Apotheke und ein Hotel/Restaurant am Bismarckturm. Vielen Aachenern dürfte der im Titelbild gezeigte Bismarckturm in Aachen-Burtscheid bekannt sein. Es ist einer von 173 noch vorhandenen Bismarcktürmen und Bismarcksäulen, die weltweit zum Andenken Otto von Bismarck errichtet worden sind. Der Aachener Bismarckturm wurde am 22. Juli 1907 durch den damaligen Bürgermeister Philipp Veltman eingeweiht. Der Bismarckturm ist heute ein beliebtes Ausflugsziel und für die Öffentlichkeit zugängig.

Bismarck heute

Bismarck war ein großer Könner im Spiel der Mächte und ein Mann, der tief in der Geschichte seines Volkes wurzelte. Seine bedeutendste Leistung ist die Schaffung des deutschen Nationalstaats. Er hat durch die Reichseinigung aus Rheinländern, Sachsen, Mecklenburgern, Bayern, Preußen etc. Deutschland geeinigt und den deutschen Staat nach innen und außen geprägt. Was würde wohl Bismarck heute sagen, in einer Zeit, wo immer mehr Kompetenzen des Nationalstaats an eine undemokratische und bürokratische EU abgegeben werden und die deutsche Nation in allen Bereichen einen Niedergang erlebt? Vielleicht würde er Worte einer Rede wiederholen, die er im Abgeordnetenhaus des Preußischen Landtags 1863 hielt. Dort stellte er fest:

„Die Neigung, sich für fremde Nationalitäten und Nationalbestrebungen zu begeistern, auch dann, wenn dieselben nur auf Kosten des eigenen Vaterlandes verwirklicht werden können, ist eine politische Krankheitsform, deren geographische Verbreitung sich auf Deutschland leider beschränkt.“

 

 

 

 

[1] https://www.dhm.de/lemo/biografie/otto-bismarck

[2] http://www.archive.org/stream/gedankenunderinn01bismuoft#page/8/mode/2up

[3] Theodor Rehtwisch: Vom großen Kanzler (Nachdruck 2012)