Vorratsdatenspeicherung – Bürgerrechte stärken und Datennetze schützen

Wieder einmal streiten Politiker über die Vorratsdatenspeicherung (VDS) und die damit verbundenen Eingriffe in die Privatsphäre. Bei der Diskussion werden Bürgerrechte und eine wirksamere Strafverfolgung gegeneinander in Stellung gebracht. Bevor die Diskussion jedoch sinnvoll geführt werden kann, muss der Schutz deutscher Datennetze vor ausländischen Geheimdiensten gewährleistet sein.

Der alte Datenstaubsauger

Die Große Koalition griff bereits 2008 nach den Daten der Bürger und beschloss eine Vorratsdatenspeicherung. Das Bundesverfassungsgericht watschte die Politiker daraufhin im Jahr 2010 ab und erklärte die Speicherung für verfassungswidrig. Das Urteil verpflichtete deutsche Telekommunikationsanbieter zur sofortigen Löschung der bis dahin gesammelten Daten. Begründet wurde die Entscheidung mit fehlenden Regelungen zur Datensicherheit. Zudem seien die Hürden für staatliche Zugriffe auf die Daten zu niedrig.[1] Die Datenspeicherung beschäftigte auch die Gerichte auf europäischer Ebene. Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006[2] verpflichtete private Telekommunikationsunternehmen die Verbindungsdaten für einen Zeitraum von 6 bis 24 Monaten zu speichern. Im April 2014 erteilte der Europäische Gerichtshof dieser Richtlinie zwar eine Absage,[3] aber die Richter kamen auch zu dem Schluss, dass eine Speicherung generell zulässig sei, um schwere Kriminalität und Terror zu bekämpfen.[4]

Die neue Schnüffelspeicherung

Jetzt will die Große Koalition die umstrittene Vorratsdatenspeicherung erneut einführen. Die Kommunikationsdaten sollen zukünftig anlasslos und systematisch gesammelt werden. Justizminister Heiko Maas (SPD) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) haben sich auf Leitlinien[5] geeinigt, nach denen die Kommunikationsdaten bis zu zehn Wochen und die Standortdaten bis zu vier Wochen gespeichert werden können. Aus den Leitlinien soll in Kürze ein konkreter Gesetzentwurf entstehen. Begründet wird die Erfassung der intimen Daten mit einer Verbesserung der öffentlichen Sicherheit. Befürworter begrüßen den Vorstoß als längst überfällig, damit Straftaten besser aufgeklärt werden können.

Vorratsdatenspeicherung verfehlt das Ziel

Kritiker der Vorratsdatenspeicherung stellen die Bürgerrechte und Privatsphäre des Volkes in den Vordergrund. Sie verweisen darauf, dass die beabsichtigten Maßnahmen nicht gegen schwere Straftaten und Terrorismus helfen. Zu einer umfassenden Echtzeit Auswertung der auflaufenden Daten fehlen die Kapazitäten. Es können somit kaum Straftaten verhindert werden. Eine spätere Aufklärung von schweren Straftaten scheitert regelmäßig an Vorsichtsmaßnahmen von Kriminellen . Diese verwenden für ihre Kommunikation häufig Internetcafes, Netzwerke wie TOR oder gestohlene Mobiltelefone und ausländische SIM-Karten. Die Vorratsdatenspeicherung läuft dadurch ins Leere und kann lediglich erste Ermittlungsansätze bieten.[6]

Aus Polizeikreisen kommen teilweise weitere skeptische Töne. Der Entwurf ginge nicht weit genug und es gäbe eine zu starke Einschränkung des Straftatenkatalogs. So sei zum Beispiel keine Nutzung der Daten bei Cyber-Kriminalität vorgesehen. Dadurch könne für im Internet begangene Straftaten noch immer kein ausreichender Verfolgungsdruck aufgebaut werden.

Da die Vorratsdatenspeicherung in ihrem geplanten Zuschnitt das Ziel verfehlt, wächst der Widerstand in der Bevölkerung. Immer mehr Bürger misstrauen dem staatlichen Datenhunger. Warum werden Daten umfassend gespeichert, wenn diese für die eigentlich angedachte Verbrechensbekämpfung nahezu wertlos sind? Was ist von einem Staat zu halten, der seine Bürger durch „Nudging“ gefügig machen[7] und immer engmaschiger überwachen will?

Hausaufgaben erledigen – Deutsche Datennetze schützen

Ausgehorcht und abgezapft: Deutsche Bürger und Unternehmen

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Die Bürger haben kein Vertrauen mehr in den Staat und seine Schutzfunktion. Das einst vorhandene Vertrauen wurde in den letzten Jahren durch die Politiker der Altparteien zerstört. Gerade im Bereich Datenschutz. Sensible Daten wurden nur unzureichend gegen Angriffe von ausländischen Geheimdiensten verteidigt. Die Snowden-Enthüllungen waren ein Weckruf für viele Deutsche. Erst als Merkel mit ihrem Mobiltelefon selber betroffen war, kam ein wenig Bewegung in die Sache. Trotzdem fehlt der CDU geführten Regierung der politische Wille, vor allem angelsächsischen Geheimdiensten Grenzen zu setzen.[8][9] Die Daten von deutschen Bürgern und Unternehmen werden systematisch  abgeschnorchelt.[10] Wirtschaftsspionage durch fremde Mächte und der damit verbundene Schaden wird nur selten thematisiert.[11]

So lange nationale Datennetze und Datensammlungen nicht zuverlässig gegen ausländische Geheimdienste verteidigt werden können,[12] erübrigt sich jede Diskussion zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Zuerst muss der Staat seine Hausaufgaben erledigen und die Sicherheit der Datennetze gewährleisten.

 

 

[1] http://www.zeit.de/digital/datenschutz/2010-03/bundesverfassungsgericht-vorratsdatenspeicherung

[2] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=CELEX:32006L0024:DE:HTML

[3] http://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-ende-der-masslosigkeit-1.1932057

[4] http://malte-spitz.de/wp-content/uploads/2014/04/C_0293_2012-DE-ARR.pdf

[5] http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/pdfs/20150415-Leitlinien-HSF.pdf?__blob=publicationFile

[6] http://www.heise.de/newsticker/meldung/a-i3-BSI-Kongress-Vorratsdatenspeicherung-ist-kein-Allheilmittel-2610418.html

[7] http://www.welt.de/wirtschaft/article138326984/Merkel-will-die-Deutschen-durch-Nudging-erziehen.html

[8] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-07/angela-merkel-prism-pressekonferenz

[9] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/ueberwachung/offener-brief-an-angela-merkel-deutschland-ist-ein-ueberwachungsstaat-12304732.html

[10] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/auf-dem-weg-zur-totalen-ueberwachung-wir-muessen-jetzt-handeln-12285395.html

[11] http://www.heise.de/newsticker/meldung/Snowden-beschuldigt-NSA-der-Wirtschaftsspionage-2097602.html

[12] http://www.dw.de/deutschland-ist-ziel-im-cyber-krieg/a-18188296

 

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