Rückkehr des größten Nagetiers Europas – Biber zeigen auch in Aachen Zähne

Schleichend und auf leisen Pfoten hat sich Meister Bockert im Großraum Aachen wieder angesiedelt. Er breitet sich entlang der Rur, Inde, Wurm und deren Zuflüssen aus. Bei den Naturfreunden sorgt er für Jubel. Landwirte, Waldbesitzer und Privateigentümer in Wassernähe fürchten negative Auswirkungen.

Steckbrief Biber
Der europäische Biber heißt mit wissenschaftlichem Namen »Castor fiber«. Er trägt den Namen zu Recht. »Castor« leitet sich vom lateinischen Verb »castrare« ab, welches „schneiden“ bedeutet. Mit seinen Zähnen ist er tatsächlich in der Lage, die Nahrung sauber abzutrennen und zu „schneiden“. Biberzähne müssen viel aushalten. Damit sie sich nicht so schnell abnutzen enthalten sie Eisen, Kalzium und andere Mineralien. Die orangegelben Biberzähne wachsen ständig nach. Der Biber kann innerhalb einer Nacht einen Baum mit einem Durchmesser von etwa einem halben Meter fällen. Das deutsche Wort Biber leitet sich vom keltischen »bevere« ab und heißt soviel wie „braunes Tier“. Der europäische Biber erreicht ein Körpergewicht von bis zu 25 kg und eine Gesamtlänge bis zu 130 cm, wobei der Schwanz (Biberkelle) bis zu 30 cm einnimmt. Das braune Fell ist mit 23.000 Haaren pro cm2 (Mensch: bis zu 600 Haare pro cm2) sehr dicht und schützt vor Nässe und Auskühlung. Der Pelz wird regelmäßig mit dem fetthaltigen Sekret (Bibergeil) gepflegt und gereinigt. Die maximale Lebenserwartung beträgt 20 Jahre, in der Regel wird der Biber acht Jahre alt.

Lebensweise
2014-10-25 15.59.35Biber leben monogam in einem Familienverband. Der Nachwuchs kann jährlich bis zu fünf Tiere betragen. Die Jungtiere bleiben bis zu zwei Jahre im elterlichen Revier und müssen es dann verlassen. Der dämmerungs- und nachtaktive Biber gräbt seine Baue in das Gewässerufer um dort geschützt den Tag zu verbringen. Der Eingang des Biberbaus liegt unter Wasser. Gibt das Erdreich im Wohnkessel des Bibers nach, so schichtet er Äste und Zweige auf, sodass die typische Biberburg entsteht. Ein Biberrevier umfasst ca. drei km Fließgewässer. Je üppiger das Nahrungsangebot, desto kleiner ist das Biberrevier und desto mehr Biber können in einem Gewässerabschnitt leben. Der Biber ist reiner Vegetarier und ernährt sich je nach Jahreszeit und Angebot von krautigen Pflanzen, jungen Zweigen, Knospen, Blättern und der Rinde von Gehölzen.

Ausrottung im 19. Jahrhundert
Im gesamten Rheinland wurde der Biber im 19. Jahrhundert ausgerottet. Er wurde stark bejagt, da sein dichtes Fell begehrt war. Außerdem galt der Biber in der Fastenzeit als beliebte Speise, da er aufgrund seines geschuppten Schwanzes als „Fisch“ galt und deswegen verzehrt werden durfte. Zudem wurde der Biber wegen des Bibergeils bejagt. Es galt als Mittel gegen Krampf, Hysterie und anderen Krankheiten. Das Sekret verschwand erst 1891 aus dem Deutschen Arzneibuch.

Auswilderung und Ausbreitung in den 1980er Jahren
Anfang der 1980er Jahre begann auf Initiative des Staatlichen Forstamtes Hürtgenwald die Wiederansiedlung in der Eifel. Drei Biberpärchen wurden 1981 im Kreis Düren an der Grenze zum Kreis Aachen ausgesetzt. In den Folgejahren erfolgten weitere Aussetzungen. Schnell etablierten sich die Tiere und gründeten eine starke Population. Die Rur ist von der Quelle bis zur Mündung besiedelt. Die Wurm ist auch durch den Biber erschlossen. Außerdem breitet sich der Biber entlang der Inde und seinen Zuflüssen aus. Im Stadtgebiet Aachen wurden Biberspuren an der Wurm im Bereich der Krefelder Straße entdeckt. Zudem wurde der Biber in Kornelimünster an der Inde gesichtet. In der Städteregion Aachen wird der Bestand der Biber auf insgesamt über 100 Exemplare geschätzt. Es ist mittel- bis langfristig davon auszugehen, dass sich der Biber weiter ausbreitet und von der Inde in die Iter, von der Wurm in den Wildbach und in den Haarbach wandern wird. Freie Biberreviere werden langsam knapp.

2014-11-10 16.34.57

Zu wenig Material für den Dammbau? Da hilft nur eines: Mehr Bäume fällen.

Biber – Baumeister der Natur
Biber verändern die Landschaft. Als semiaquatisches Lebenswesen benötigt er unbedingt Wasser. Damit er schwimmen und tauchen kann, sollte der Wasserstand mindestens 50 cm betragen. Ist dem Biber der Wasserstand zu niedrig, errichtet er einen Biberdamm. Davon profitieren viele andere Tiere und Pflanzen. Es entstehen großflächige Wasser- und Sumpfgebiete, in denen seltene Amphibien und Reptilien einen neuen Lebensraum finden. Biber fällen Bäume, um gerade im Winter an Zweige und Rinde zu gelangen. Das restliche Holz wird als Baummaterial für den Dammbau genutzt. Durch das Fällen der Bäume und das Absterben einiger Bäume im Wasser entsteht Totholz, welches Insekten, Vögeln und Fledermäusen zugute kommt. Der Biber gestaltet Gewässer und deren Auen, erhöht dadurch die Artenvielfalt. Er trägt darüber hinaus auch zum Hochwasserschutz bei. Die Biberdämme halten das Wasser zurück, so dass es die größeren Flüsse erst nach und nach erreicht. Dadurch werden verheerende Hochwasserspitzen verringert.

 

 

2014-11-10 16.38.36

Biberdämme stauen Wasser und es bilden sich Wasserlandschaften

Konflikte mit Menschen
In der dichtbesiedelten Aachener Region kann die rege Bautätigkeit zu Nutzungskonflikten führen, wenn der Biber land- und forstwirtschaftliche Flächen oder Privatgrundstücke unter Wasser setzt. Der beste Biberschutz ist ein Uferstreifen zwischen Wasser und Nutzfläche. Die Wasserwirtschaftsämter fordern einen fünf bis 20 Meter breiten Streifen unberührter Natur als Puffer zu intensiv genutzten Flächen, um das Grund- und Trinkwasser vor Verschmutzungen zu schützen. Das entspricht dem Lebensraum des Bibers. Der Biber zählt zu den europarechtlich streng geschützten Tierarten. Neben dem Schutz seiner Lebensräume ist es verboten, den Biber zu fangen, zu töten, zu stören oder seine Baue und Dämme zu beschädigen. Ausnahmen sind unter Zustimmung der Unteren Naturschutzbehörde im Einzelfall möglich. Wenn es in der Region zum Konflikt kommen sollte, dann ist die Biologische Station des Kreises Aachen der richtige Ansprechpartner.

Der Biber ist ein Geschenk für unsere stark genutzte Kulturlandschaft. Er kann sich dauerhaft etablieren, wenn der Mensch hin und wieder auf sein Monopol als einziger Landschaftsgestalter verzichtet.