Rede vom 17. Januar 2017 in Dresden: Die „soziale Frage“ im Zeitalter der Digitalisierung

Am 17. Januar 2017 lud die Junge Alternative Dresden zu einem Vortragsabend mit Björn Höcke. Im Vorfeld sprach ich über soziale Gerechtigkeit, Altersarmut, Zeitarbeit, Hartz4 und die Herausforderungen der Digitalisierung. Im Zuge der Rede forderte ich eine breitere Debatte zu einem bedingungsarmen bzw. bedingungslosen Grundeinkommen.

Die Rede ist hier vollständig auf Youtube abrufbar.

Nachstehend veröffentliche ich Auszüge aus dem zugrunde liegenden Manuskript.

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[In den nächsten Minuten geht es darum], was uns als Volk verbindet und was getan werden kann, damit Deutschland wieder sozialer und freier wird. Wagen wir dazu einen kleinen Zeitsprung und zwar zurück zum Beginn des 19. Jahrhunderts.

Die gewaltige Entwicklung von den agrarwirtschaftlichen Ständegesellschaften hin zu technisierten, industrialisierten Massengesellschaften in Europa läuteten ein neues Zeitalter ein. Die „alte Welt“ der kleinen Städte und großen Entfernungen, der Feudalherren und des Glaubens, des antiken und mittelalterlichen Denkens war verloschen. Die „neue Welt“, die Moderne, in dessen Ausläufen wir noch heute leben, war geboren. Und sie sollte schon bald die größten Umwälzungen mit sich bringen, die die europäischen Menschen bis dahin kannten.

Die weiße Welt wurde zum Pioniersflügel der Menschheit. Der große Sprung lag in der Luft. Der deutsche Wissenschafts- und Erfindergeist trat auf den Plan. Deutsche Ingenieure, Physiker, Biologen und Chemiker nahmen Maß für eine neue Welt.

Wilhelm Konrad Röntgen revolutionierte mit den nach ihm benannten Strahlen die Medizin. Robert Koch erfindet die Bakteriologie. Felix Hoffmann entdeckte Aspirin. Max Planck begründete die Quantenmechanik. Der Unternehmer Gottlieb Daimler konstruierte den ersten schnelllaufenden Benzinverbrennungsmotor und das erste vierrädrige Automobil. Rudolf Diesel konstruiert den ersten Dieselmotor. Werner von Siemens begründete die moderne Elektrotechnik und Robert Bosch entwickelt die erste Zündkerze.

Es ist der Genius eines Volkes, daß der Welt noch viel zu sagen haben wird. Die Moderne brach in Deutschland durch und Deutsche verhalfen der Moderne zu Durchbruch. Mit allen Ambivalenzen dieser „neuen Welt“. Denn neben all der Euphorie des Aufbruchs: Massenarmut, Verelendung, Ausbeutung, Kinderarbeit. Neue Fragen entstanden. Es stellte sich die »soziale Frage«.

Die Frage nach sozialer Gerechtigkeit und besseren Lebensbedingungen, nach Bildung und Existenzsicherheit, nach gutem Lohn und gutem Brot, nach einer guten Zukunft für Kinder und Enkelkinder.

Und auf diese sollte in Deutschland eine ganz einzigartige Antwort gegeben werden, die bis zum heutigen Tage ein Wesensmerkmal deutscher Politik ist und ganz unschwer als Bewusstsein für Solidarität und Einigkeit erkennbar ist: Die Deutsche Sozialpolitik.

Die Sozialgesetzgebung im deutschen Kaiserreich unter maßgeblicher Initiative von Otto v. Bismarck, verweist heute auf den Wunsch nach einer solidarischen Politik, die das ganze Volk einschließt.

Der soziale Gedanke fiel besonders in Deutschland auf fruchtbaren Boden und fand in zahlreichen Gesetzgebungen wegweisenden Ausdruck: Haftpflicht-, Kranken-, Unfall- und Rentenversicherung, sowie Mutterschutz. Allgemeine Beschränkung der Arbeitszeit. Verordnung von Sonntagsruhe. Invaliden und Hinterbliebenenfürsorge.


Wir Deutsche waren immer ein außerordentlich ehrgeiziges und leistungswilliges Volk, aber zugleich auch eines, in dem Solidarität besonders groß geschrieben wurde und die Menschen mit Herz und Hand für einander einstanden.

In kaum einem anderen Land hatten Menschen selbst aus finanziell ärmeren Schichten so gute Möglichkeiten sich hochzuarbeiten und es zu einem ansehnlichen Maß an Wohlstand zu bringen. In kaum einem anderen Land gab es eine so breite Mittelschicht wie in Deutschland. Doch all das wird zerstört.

Die Leistungsfähigkeit in Wissenschaft und Forschung wird durch ein ruiniertes Bildungssystem beeinträchtigt.

Das sonst unter deutschen Kaufleuten gepflegte Prinzip des „Leben und leben lassen“, weicht einem Faustrechtkapitalismus, in dem Ausbeutung und Gewinnmaximierung an erster Stelle stehen.

Die Errungenschaften des Sozialstaates werden Stück für Stück eingerissen. Ich gebe Ihnen drei Beispiele:

SPD-Kanzler Gerhard Schröders Einführung von Hartz4. Besonderes Merkmal: Egal ob Sie 2 Jahre oder 20 Jahre gearbeitet hat. Innerhalb kürzester Zeit erhalten Sie nur noch das absolute Existenzminimum und müssen ihre Ersparnisse aufbrauchen.

Oder nehmen wir das Thema Leiharbeit. Von windigen Unternehmen gerne genutzt um den Kündigungsschutz zu umgehen. Hinzu kommt das Elend mit den befristeten Arbeitsverträgen. Wieviele Arbeiter und auch Akademiker hangeln sich von einem Zeitarbeitsvertrag zum nächsten? Das erschwert die Lebensplanung und nimmt vor allem jungen Menschen den Mut zur Familiengründung, die wir gerade in unserem Land so dringend brauchen.

Oder Drittens: Die drohende Altersarmut. Hier hat die Politik total versagt. Während Sie früher nach einem arbeitsreichen Leben einen finanziell sorgenfreien Ruhestand verbringen konnten, droht jetzt millionenfache Altersarmut. Das WDR berichtete vor Kurzem, daß fast jeder zweite Bundesbürger, der ab 2030 in Rente geht, eine Altersversorgung unterhalb der Armutsgrenze droht.

Neben diesen politischen Fehlentscheidungen mit Langfristfolgen kommt auch noch die Bedrohung unserer Sozialsysteme durch illegale Einwanderung von außen. Hunderttausende Menschen kommen nach Deutschland. Menschen die noch nie etwas für unser Land geleistet haben. Deren Vorfahren keinerlei Anteil an dem Aufbau und Wohlstand unseres Landes hatten und trotzdem erhalten diese Menschen innerhalb kürzester Zeit vergleichbare Leistungen wie Einheimische, die viele Jahre lang malocht haben und dann unverschuldet arbeitslos werden. Das ist zutiefst ungerecht und spaltet die Gesellschaft.

Und es kommt noch schlimmer. Stellenweise werden Fremde sogar noch besser behandelt als die eigenen Bürger.

Ich bin Ratsherr in Aachen und während arbeitslose Deutsche sich einen Breitbandinternetanschluss von ihren kargen Sozialleistungen absparen müssen, wird bei uns in Aachen jetzt ernsthaft darüber diskutiert, sogenannten Flüchtlingen kostenloses Internet bereitzustellen.

Selbst bei den eigenen Kindern wird der Geldhahn abgedreht. Ich wohne seit über 10 Jahren in einem der ärmsten Viertel Aachens. Mir liegt dieses Viertel sehr am Herzen, da ich selber aus einer armen Arbeiterfamilie komme. Ich erlebe in der Nachbarschaft tagtäglich, was es bedeutet, wenn Menschen keine Perspektive mehr für sich sehen. In meinem Viertel gibt kaum Grünflächen. Alles ist karg, kühl asphaltiert und häufig verschmutzt. Aber es gibt eine wirklich gute Grundschule, die mit Herzblut geleitet wird und die Platz für einen kleinen Schulgarten hätte.

Dieser Garten würde das Straßenbild verschönern und den Kindern Freude schenken. Die Kinder hätten die Möglichkeit, Gemüse und Blumen anzupflanzen. Sie könnten eine kleine grüne Oase inmitten dieses tristen Viertels schaffen.

Die Schule hat leider zu wenig Geld und kann den Garten deshalb nicht einrichten. Ich habe daher beantragt, daß die Stadt Aachen die Finanzierung übernimmt. Dabei geht es um einen wirklich überschaubaren Betrag von vielleicht 2.000 bis 3.000 Euro. Trotzdem abgelehnt. Angeblich ist kein Geld in der städtischen Kasse.

Wenn es aber darum geht im Stadtrat zweistellige Millionenbeträge für sogenannte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu bewilligen, dann reißen die Vertreter der Altparteien die Arme hoch und überbieten sich im Hilfspakete-Weitwurf. Solche Zustände sind unerträglich.

Die gegenseitige Solidarität und die Errungenschaften unseres Sozialstaates werden verspielt, von Politikern, mit dem Verstand eines Nussknackers. Und die haben noch nicht einmal auf dem Schirm, was mit brachialer Gewalt auf uns hereinbricht. Denn zu den genannten Problemen gesellt sich eine weitere große Herausforderung. Die fortschreitende Digitalisierung unsers Alltags und der Abeitswelt.

Wissenschaftler der Oxford University kamen in ihrer Studie „The fututure of employment“ zu der Schlußfolgerung, daß in den USA 47 Prozent der Arbeitsstellen in den nächsten 10-20 Jahren durch Roboter oder digitale Lösungen ersetzt werden könnten. Die Unternehmensberatung A.T. Kearny übertrug die Ergebnisse auf Deutschland und hält hier in unserem Land 45 Prozent der Arbeitsstellen für gefährdet. Besonders treffen wird es Büro- und Sekretariats- und Verwaltungsarbeiten. Auch der Bereich Verkauf und Lagerlogistik bietet immer weniger Zukunftsperspektiven. Auch Akademiker wird es immer häufiger treffen, weil die Algorithmen und sogenannte künstliche Intelligenz immer leistungsfähiger werden.

Es ist offensichtlich: Die tiefgreifenden Veränderungen der Arbeitswelt in den nächsten 20 Jahren sind eine Herausforderung, auf die wir politische Antworten entwickeln müssen. Was ist zu tun?

Zum einen brauchen wir ein gesellschaftliches Umdenken, was das Primat der Arbeit angeht. Es wird Zeit, sich vom Dogma der Vollbeschäftigung zu verabschieden. Vollbeschäftigung ist im 21. Jahrhundert auf Grund der Robotisierung für eine Millionenbevölkerung nicht mehr erreichbar.

Die neuen Technologien schaffen schon heute kaum noch Arbeitsplätze: 1979 benötigte der amerikanische Autohersteller General Motors noch 840.000 Mitarbeiter, um inflationsbereinigt 11 Milliarden US-Dollar-Gewinn zu machen. Google erwirtschaftet 14 Milliarden US-Dollar-Gewinn – Und das mit gerade einmal 38.000 Mitarbeitern.

Ein weiteres Beispiel: Zwar hat Facebook gigantische Serverfarmen in den USA errichten müssen, diese werden aber nicht durch Heerscharen von Mitarbeitern gewartet, sondern auf 20.000 Computer kommt nur noch ein einziger Techniker – ein Algorithmus löst Serverprobleme mittlerweile praktisch selbstständig.

Notwendig ist es auch, die Mär vom Fachkräftemangel endlich ad acta zu legen. Es wird in Zukunft eher einen Arbeitsplatzmangel als einen Mangel an potentiellen Mitarbeitern geben. Der einzige „Fachkräftemangel“, den es in Deutschland für die Großindustrie gibt, ist in Wahrheit der an Akademikern, die bereit sind für das Gehalt eines Hilfsarbeiters zu malochen.

Als Reaktion auf die absehbaren Arbeitsplatzverluste in den nächsten dreißig Jahren, von denen auch Akademiker betroffen sein werden, ist es nötig, das Steuerrecht zu reformieren und unsere Marktwirtschaft an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

In Zukunft wird es kleinen Gruppen von Personen möglich sein, mit Maschinen, Robotern und Algorithmen sehr große Gewinne zu erwirtschaften, ohne damit nennenswert Arbeitsplätze für Menschen zu schaffen.

Künftig muss daher Arbeit als besonders wünschenswerter Faktor soweit es geht steuer-, bürokratie- und abgabenarm gestaltet werden. Steuern müssen vielmehr verstärkt auf Vermögen, Kapital und Maschinen erhoben werden. Neben einer Vermögenssteuer und einer Börsentransaktionssteuer ist auch eine effektivere Erbschaftssteuer ein möglicher Ansatzpunkte.

Wir müssen angesichts des unvermeidbaren Arbeitsplatzmangels die Augen für die Realtität öffnen und eine breite Debatte über ein Bürgergeld führen. Ein solches wird oftmals unter dem Stichwort „bedingungsloses Grundeinkommen“ diskutiert und soll alle anderen Sozialleistungen und die damit zusammenhängenden Verwaltungsapparate ersetzen.

Völlig bedingungslose Geldgeschenke darf es natürlich nicht geben, aber bedingungsarm kann es sein. Anspruchsberechtigt dürfen nur Deutsche sein und zumindest ehrenamtliche, karitative oder geringfügige berufliche Tätigkeiten sollten nachgewiesen werden.

Ein Bürgergeld ist eine bürokratiearme und gerechte Möglichkeit, um den sozialen Frieden in Zukunft zu sichern.

Der aktuell bereits zu einer Ruine abgebrannte Sozialstaat mit seinen erniedrigenden Hartz4-Regelungen hält Menschen klein und degradiert sie zu Bittstellern.

Das Grundeinkommen ist das Gegenteil davon.

Es ist sozial, es fördert die Eigenverantwortung und bietet Freiheit.

Dem aktuell herrschenden Geist der Gewinnmaximierung, setzen wir den Geist der Sinnmaximierung entgegen.

Wir lassen uns nicht länger einreden, daß die Anhäufung von möglichst vielen materiellen Gütern der Sinn des Lebens sei.

Wir denken nicht nur in einer Lebensspanne, sondern wir denken in Generationen.

Ein Grundeinkommen schafft die Freiheit und Möglichkeit zur einer beispiellosen Wiederbelebung von Kunst, Unternehmertum und handwerklichen Berufen. Ein junger Unternehmer und Erfinder mit einer tollen Idee kann sich dank des Bürgergeldes ebenso risikolos einer Neugründung widmen, wie ein Pianist dem Komponieren, ein Maler dem Malen und ein Schmied dem Herstellen von Eisenwaren nach Art unserer Ahnen. Das ermöglicht uns einen ganz neuen kulturellen Aufbruch.

Liebe Freunde, ich bin überzeugt davon, daß wir Deutsche in den kommenden Jahren unter dem Druck, der aktuell auf uns lastet, wieder zu uns selber finden werden. Wir werden gemeinsam die Antworten auf die sozialen Fragen der digitalen Revolution geben und diese Antworten werden zu mehr Freiheit und zu einer Wiederbelebung unserer Traditionen führen.

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Wir waren immer das Land der Dichter, Denker und der sozialen Gerechtigkeit und wir werden es auch in Zukunft wieder sein.