Katastrophenschutz bei Atomunfall in Tihange: Oberbürgermeister Marcel Philipp schweigt

Das Atomkraftwerk Tihange liegt rund 70 Kilometer von Aachen entfernt. Der Pannen-Reaktor gilt als unzuverlässig und gefährlich. Doch Aachens Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) nimmt die Gefahr nicht ernst genug. Nachdem die Aachener Bürgerschaft öffentlich den Druck verstärkt hat, ist der OB um mediale Schadensbegrenzung bemüht. Dazu gibt er sich in Interviews und vor Kameras als besorgten Kümmerer. Doch wie sieht es hinter den Kulissen aus? Ein Bericht aus dem Aachener Rathaus:

Beruhigungspillen fürs Volk

Die politiknahe Lokalpresse betont auffallend die Klage gegen den Betreiber des Atomkraftwerks und die mögliche Verteilung von Jodtabletten2. Dies sind wichtige Aspekte und die erzielten Fortschritte sind wertvoll. Das eigentliche Problem geht darüber hinaus. Eine radioaktive Wolke könnte innerhalb weniger Stunden Aachen erreichen. Jörg Schellenberg, der Sprecher des „Aachener Aktionsbündnisses gegen Atomenergie“ warnt: „Normal ist an Tihange gar nichts. Dieses Atomkraftwerk ist überaltert, marode, schlecht gewartet, und es bedroht unser aller Leben.“3

Anfrage zu Evakuierungsplänen eingereicht

So weit wie Schellenberg muss man nicht einmal gehen. Angesichts der knappen Reaktionszeiten bei nur 70 Kilometer Entfernung und der Schwere eines radioaktiven Unfalls, lautet die entscheidende und existentielle Frage: Wie bekommt die Stadt Aachen im Ernstfall so schnell wie möglich viele Bürger evakuiert? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, habe ich Marcel Philipp am 29. Februar um eine Stellungnahme gebeten. Gemeinsam mit meinem Ratskollegen Wolfgang Palm wollte ich vom OB unter anderem wissen:

Welche Vorkehrungen hat die Verwaltung für den Katastrophenfall getroffen?

Gibt es gemeinsame Pläne mit der Deutschen Bahn um möglichst viele Menschen auf dem Schienenweg aus Aachen bringen zu können?

Welche Evakuierungsszenarien gibt es?

Wie viele Aachener sind nach Ansicht der Verwaltung evakuierbar, bevor die nukleare Wolke unsere Stadt erreicht?

OB Marcel Philipp schweigt

Die letzte Ratssitzung Anfang April verlief überraschend. OB Philipp hatte zu diesem Zeitpunkt bereits über vier Wochen Zeit für eine Stellungnahme zu den Evakuierungsplänen. Die Verwaltung unter OB Philipp nahm Stellung zu diversen Anfragen. Das Thema „Gülle“ beschäftigte die Philipp-Verwaltung gleich zweimal. Es gab Stellungnahmen zu Gülleimporten aus den Niederlanden und zur Gülleaustragung in Laurensberg. Aber es gab keine Stellungnahme zum Katastrophenschutz. OB Philipp hüllt sich in Schweigen. Nach hartnäckiger Rückfrage stellte er immerhin eine Beantwortung für Mai in Aussicht.

Verwaltungschaos unter OB Marcel Philipp

Das Versagen von OB Philipp ist kein Einzelfall. Vor einem Jahr entging der Stadt Aachen ein Millionenbetrag, weil es die Verwaltung versäumte, Anträge fristgerecht einzureichen4. Auch bei der Ausgabenkontrolle schaut Philipp nicht so genau hin. Die laufenden Ausgaben für KiTa-Plätze liegen zwar bei über 30 Millionen Euro jährlich, aber werden nur Pi-Mal-Daumen mit Pauschalen ermittelt. Als ich den KiTa-Kosten kürzlich mit einer Anfrage nachspürte, musste die Verwaltung einräumen:

Eine Kosten- und Leistungsrechnung ist weder vorgesehen noch vorhanden. Weiterhin sehen die […]Bestimmungen eine Berücksichtigung von kalkulatorischen Kosten […] nicht vor. Außerdem weicht die betriebskostenrelevante Abrechnungsperiode vom Haushalts- und Kalenderjahr ab. Aus diesem Grunde ist eine Angabe der tatsächlichen Ist-Kosten nicht möglich. (Fettschrift vom Verfasser)

Einfache Statistiken und Zahlen können nicht geliefert werden. Dies ist die Grundlage für eine gut funktionierende Verwaltung und vor allen Dingen für Transparenz gegenüber den Bürgern. OB Marcel Philipp kann dies offensichtlich nicht leisten, es herrscht Chaos in der Verwaltung. Viele Bürger der Stadt sind enttäuscht und wütend. Ein verantwortungsbewusster OB sollte für seine Bürger und deren Ängste und Sorgen erreichbar sein und Rede und Antwort stehen. Irgendwann muss sich auch die Aachener CDU fragen, bis zu welchem Punkt OB Marcel Philipp noch tragbar ist.

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2 http://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/nrw-klage-gegen-tihange-100.html

3 http://www.aachen.de/DE/archiv/archiv_stadt_buerger/archiv_politik_verwaltung/archiv_pressemitteilungen/tihange_infoabend.html