Allen Unkenrufen zum Trotz! Militär und Naturschutz sind vereinbar

Das Naturschutzgebiet (NSG) Brander Wald ist das größte Aachener Naturschutzgebiet und von großer Bedeutung für den Natur- und Artenschutz. Das einzige NATURA 2000-Gebiet „Brander Wald“ auf dem Aachener Stadtgebiet ist knapp 194 ha groß und damit ungefähr so groß wie 270 Fußballfelder. Das NSG Brander Wald entspricht damit einem Prozent Fläche der Stadt Aachen. NATURA-2000 ist die Bezeichnung für ein zusammenhängendes ökologisches Netz besonderer europäischer Schutzgebiete. Sein Zweck ist der länderübergreifende Schutz gefährdeter wildlebender heimischer Pflanzen- und Tierarten und ihrer natürlichen Lebensräume.

Vielfalt an unterschiedlichen Lebensräumen

Der östliche Teil des Gebietes erstreckt sich bis zur Inde/Münsterbach nach Stolberg hinein und schließt an die Naturschutzgebiete „Münsterbachtal und Münsterbusch“ an. Die Landschaft des Brander Waldes ist sehr abwechslungsreich: Heiden, Wiesen und Bäche lockern lichte Laubwälder und dunkle Nadelholzforste auf. Ein Großteil der Fläche wird als Übungsplatz von der Bundeswehr genutzt. Entlang der ehemaligen Panzer- und LKW-Straßen befinden sich viele wassergefüllte Fahrspuren und Tümpel, die einen wertvollen Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten darstellen.

Gelbbauchunken fühlen sich wohl

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Gelbbauchunke auf dem Kanonenrohr eines Panzerwracks

Die Gelbbauchunke (bombina variegata) ist mit 4,5 cm Länge einer der kleinsten heimischen Froschlurche. Ihre Oberseite ist einfarbig lehmgelb und warzig, die Bauchseite ist jedoch leuchtend gelb auf grauschwarzem Grund gefleckt. Bei Gefahr nehmen die Unken an Land eine „Kahnstellung“ mit durchgebogenem Rücken ein, bei der ein Teil der Unterseite als Warnsignal für mögliche Fressfeinde sichtbar wird. Ihre Hautgifte machen sie ungenießbar für Fressfeinde. Von April bis September findet man die Tiere im Wasser. Ideale Laichgewässer trocknen immer wieder mal aus, da dadurch die Fressfeinde wie Libellenlarven, die den Kaulquappen gefährlich werden können, nicht mehr vorhanden sind. Die Gelbbauchunken betreiben bei der Eiablage eine Risikostreuung, denn die Gefahr für den Nachwuchs, dem Austrocknen zum Opfer zu fallen, wird dadurch verringert, dass die Weibchen ihre 120-170 Eier in kleinen Portionen auf unterschiedliche Gewässer verteilen und die Laichzeit sich über mehrere Monate erstreckt. Im Regelfall wird nach starken Regenfällen abgelaicht, wenn die Gewässer ausreichend mit Wasser gefüllt sind. Die Kaulquappen benötigen bis zu sechs Wochen, bis sie sich zur rund einen Zentimeter großen Unke entwickelt. An Land leben die Unken unter Steinen und Holz, wo sie auch in tiefen Erdlöchern überwintern.

Ersatzlebensraum Übungsplatz

Ursprünglich bewohnten Gelbbauchunken Flussauen. Sie besiedelten die im Zuge der Auendynamik entstehenden vegetationsarmen, zeitweilig wasserführenden Kleingewässer. Da die Primärlebensräume in Mitteleuropa weitgehend zerstört sind, ist die Unke auf Ersatzhabitate wie zum Beispiel wassergefüllte Wegepfützen, Fahrspuren sowie Abgrabungsgewässer angewiesen. Mit der Befestigung der Wege und Straßen und dem Verlust der einst überall zu findenden Kleinstabgrabungen ist die Gelbbauchunke seit über 100 Jahren auf dem Rückzug. Inzwischen ist die Gelbbauchunke vom Aussterben bedroht. Nur noch etwa 30 Vorkommen sind in NRW bekannt.

Bestandsrückgang erfordert Maßnahmen

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Geländespur eines Militärfahrzeugs: Ein idealer Laichplatz für Unken

Die Ursachen für die Bedrohung der Unke sind vielfältig. Ihre ursprünglichen Lebensräume sind in Mitteleuropa zerstört. Und auch die von Menschen geschaffenen Sekundärlebensräume, wie etwa Ton-, Sand- und Kiesgruben, Steinbrüche und Truppenübungsplätze, werden entweder zu intensiv oder gar nicht mehr genutzt, was in beiden Fällen zu einer Verschlechterung des Lebensraumes führt. Im Brander Wald ist das Gelände mittlerweile „zu wenig genutzt“. Deshalb wird in regelmäßigen Abständen in den Herbst- und Wintermonaten mit einem 830 Pferdestärken ausgerüsteten und 40 Tonnen schweren Panzer der Bundeswehr Dynamik in das Gelände eingebacht. Damit werden die mit Schlamm und Pflanzen verlandeten Gewässer für die Unke optimiert und neue Gewässer geschaffen. Denn sobald zu viel Vegetation im Gewässer aufwächst, ist dies als Laichplatz für die Gelbbauchunke nicht mehr attraktiv. Darüber hinaus beweiden Ziegen und Schafe das NSG Brander Wald, damit die Heide- und Wiesenlandschaft offen bleibt und nicht mit Büschen und Bäumen zuwächst.

Truppenübungsplätze und Bedeutung für den Naturschutz

Die besondere Bedeutung der Truppenübungsplätze für den Natur- und Artenschutz bestehen nicht trotz, sondern gerade wegen der militärischen Nutzung. Die meisten Truppenübungsplätze zeichnen sich durch eine relative Großflächigkeit, Nährstoffarmut, einer hohen Biotopvielfalt und -qualität und relativer Abgeschiedenheit aus. Die Truppenübungsplätze blieben über viele Jahrzehnte von herkömmlichen Intensivierungen der Landnutzung und Produktion (Flurbereinigung, Überdüngung, Anwendung von Pestiziden, Grundwasserabsenkungen, Verkehrswegebau, Freizeitsport, Tourismus, etc.) verschont und konnten sich entwickeln. Bundesweit verfügt die Bundeswehr über Truppenübungsplätzen auf einer Fläche von mehr als 210.000 ha (fast so groß wie das Saarland). Davon steht weit mehr als die Hälfe unter Naturschutz. Der Brander Wald wird seit über 100 Jahren militärisch genutzt. Rings um den Truppenübungsplatz sieht man die tiefgreifenden Änderungen der Landschaft: ausgedehnte Mais- und Rapsfelder, Versiegelung von Flächen wie Straßen- und Wegebau, Wohnungsbau, Errichtung von Windrädern usw. Umso deutlicher wird die Notwendigkeit des wirksamen Schutzes des NSG Brander Waldes, damit Menschen, Fauna und Flora zu ihrem Recht auf Leben kommen. Der Brander Wald ist ein vom Menschen geschaffener Lebensraum, der ständig Pflegemaßnahmen und Schutz bedürfen. Und das Militär bildet dabei eine wichtige Stütze zum Erhalt der vielfältigen Lebensräume im NSG Brander Wald.