Damit die AfD eine Alternative bleibt: Jedem Mitglied eine Stimme

Deutschland ist eine Parteiendemokratie. Die Parteien erfüllen eine Reihe wichtiger Aufgaben im politischen System. Das Grundgesetz weist ihnen in Artikel 21 deshalb nicht nur eine besondere Rolle als rechtlich anerkannte Akteure der politischen Willensbildung zu, sondern stellt auch besondere Anforderungen an den inneren Aufbau: Die innere Ordnung einer Partei muss demokratischen Grundsätzen entsprechen. Aber demokratische Grundsätze sind immer relativ. Gerade in den Altparteien. Hier muss die AfD ein dauerhaftes Korrektiv und eine Alternative bilden.

Kurz vor dem Bundesparteitag der AfD in Stuttgart startete die Initiative „Jedem Mitglied eine Stimme“. In der Initiative fanden sich zahlreiche führende AfD-Politiker zusammen, die einen Satzungsänderungsantrag des AfD-Kreisverbandes Aachen-Stadt unterstützen. In diesem Antrag ging es um die Festigung basisdemokratischer Strukturen. Listen für die Landtags- und Bundestagswahlen sollten ausschließlich im Rahmen von Mitgliederversammlungen aufgestellt werden. Der Antrag fand zwar eine Mehrheit, aber blieb am Ende unter der erforderlichen Menge von zwei Dritteln. Das Thema bleibt jedoch auch künftig von Bedeutung.

Ehernes Gesetz der Oligarchie nach Robert Michels

Robert Michels veröffentlichte im Jahr 1911 eine Studie, die weltweit in viele Sprachen übersetzt wurde und zu einem der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts gezählt wird. In dem Werk „Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie“ geht Michels der Frage nach, wie sich das Innenleben einer Partei entwickelt und untersucht, inwieweit es der Partei gelingt, die hohen Erwartungen an Demokratie in die Praxis der Organisation umzusetzen. Die Führungseliten der Partei seien der neuralgische Dreh- und Angelpunkt. Michels konstatiert eine Entkoppelung von Parteiführung und Mitgliedern, von Funktionären und Wählern. Der Parteielite gelänge es die kulturellen und materiellen Ressourcen der Partei für ihren Nutzen zu bündeln. Es entstünden Netzwerke von Mitarbeitern, denen sie besonders vertrauten und deren Konformität mit Aufstiegschancen belohnt werde. Aus den Netzwerken rekrutiere sich der Nachwuchs. Die Parteieliten verfügten über immer mehr Macht und verfestigten so ihre eigenen Positionen. Es vergrößere sich die Machtasymmetrie zwischen Führung und Mitgliedern. Es ist das „eherne Gesetz der Oligarchie“, also der Gesetzmäßigkeit der Herrschaft der Wenigen über die Vielen. Dies führe zum Verlust der inneren Dynamik und zur Auflösung demokratischer Strukturen. Die Führungselite orientiere sich nur noch an ihren eigenen Interessen und suche den persönlichen Vorteil. Die ursprünglichen Ziele der Partei gerieten immer mehr in den Hintergrund.

Innerparteiliche Demokratie in den Altparteien ausgehebelt

Über einhundert Jahre nach dieser Studie ist das „eherne Gesetz der Oligarchie“ aktueller denn. Die innerparteiliche Demokratie ist vor allem gefährdet bei der Kandidatenaufstellung und durch die Zentralisierung von Sach- und Personalentscheidungen. Die Nominierung der Kandidaten für Bundestags-, Landtagswahlen erfolgt in den Altparteien in der Regel über ein Delegiertensystem. Nur handverlesene Wahlmänner entscheiden, wer auf die Landesliste kommt. Nicht die fähigsten Köpfe werden von den Altparteien zur Wahl gestellt, sondern die Parteimitglieder, die am raffiniertesten in einem feinjustierten Delegiertensystem um Posten schachern. Obwohl die Landesverbände von Parteien oft tausende von Mitgliedern haben, genügt es im System der Altparteien sich einige wenige Delegierte gefügig zu machen. Ein besonders geschmackloses Beispiel gibt die NRW-SPD. Sie hatte 2012 in NRW über 110.000 Mitglieder. Über die sicheren Listenplätze für die Landtags- bzw. Bundestagswahl entschieden im Jahr 2012 jedoch nicht einmal 450 Delegierte. Sicherlich ist es eine Herausforderung bei einer solchen Mitgliederanzahl jedem Parteimitglied die Möglichkeit zur Teilnahme an der Listenaufstellung zu ermöglichen. Zumindest könnte aber das Verhältnis zwischen Anzahl der Delegierten und der Anzahl der Mitglieder um ein vielfaches besser sein. Listenwahlversammlungen mit bis zu 5.000 Anwesenden sind problemlos darstellbar.

Alternative zu den Altparteien

Es gibt Möglichkeiten die Übermacht und die undemokratischen Grundzüge des Systems zu dämpfen und den entmachteten Staatsbürgern mehr Macht zu geben. Einerseits die Stärkung der direkten Demokratie durch Volksentscheide. Anderseits durch die Stärkung der innerparteilichen Demokratie. Deshalb fordert der renommierte Verfassungsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim neben vielen Aspekten zur Förderung der Demokratie unter anderem auch mehr Mitgliederabstimmungen zu Einzelfragen und Programmen innerhalb der Parteien sowie bei der Nominierung von Kandidaten. Es sollte das originäre Recht eines jeden Parteimitglieds sein, über die Kandidaten Parteien zu entscheiden und über die Wahlprogramme abzustimmen. Eine echte basisdemokratische Legitimation stärkt Kandidaten zudem im Wahlkampf den Rücken. In der AfD ist dies in weiten Teilen Grundkonsens.

Glaubwürdigkeit der AfD erhalten

Die basisdemokratische Aufstellung von Landeslisten ist eine Sache der politischen Integrität. Wer direkte Demokratie fordert, muss dies auch selber leben. Die Ausrichtung einer Partei sollte größtmöglich durch die Basis legitimiert getragen werden. Die meisten Altparteien haben Angst vor der eigenen Basis. In der AfD sollte jedoch jedes Mitglied die Möglichkeit haben mitzubestimmen. Zumindest bei den wichtigen Programmprozessen und der Kandidatenaufstellung.

Alternative für Deutschland – Partei aus dem Volk und für das Volk

In Deutschland gaben lange genug die Funktionseliten – abgekoppelt vom Volk – die Antworten zu den wichtigen Fragen in unserem Land. Die krisenhafte Zuspitzung der Lage, die unkontrollierte Masseneinwanderung, die wachsende Kriegsgefahr und das Versagen der Politischen Klasse kommen nicht überraschend. Sie entstammen einem System der Abkopplung vom Volk. Deshalb wünschen sich immer mehr Menschen mehr Mitbestimmung und fordern das „Schweizer Modell“. Volksentscheide und Volksbefragungen müssen einen höheren Stellenwert erhalten und häufiger angewandt werden. Gleichzeitig muss die AfD glaubhaft bleiben, indem innerhalb der Partei basisdemokratische Strukturen gefestigt werden. Ansonsten landet die AfD zu schnell im „ehernen Gesetz der Oligarchie“.